Otto, Josef und ich treffen uns in fast schöner Regelmäßigkeit einmal jährlich zum Wandern bzw. Klettersteigen in den Dolomiten. Diesmal hatten wir uns mit der Pala den südlichen Zipfel der Region ausgesucht. Einer Gegend, die nicht so überlaufen ist, wie die Sella, die Drei Zinnen oder die Tofane. Der spezifische Charme und Charakter der Dolomitenwelt zeigt sich hier in einzigartigerweise.
Eine Woche von Hütte zu Hütte mit Klettersteigeinlagen - so war die Planung. Beim Einlaufen in den ersten drei Tagen lief noch alles plangemäß. Herrlichstes Wetter, Fernsichten über die Bergwelt, so konnte es weitergehen. Aber aufkommender Nebel zerstörte am dritten Tag kurz vor der Pradidali Hütte diese Illusion. Gegen Abend zog sich das Wetter so richtig zu. Der Regen prasselte auf das Blechdach auch Blitz und Donner lagen zeitgleich beieinander. Die Wetterprognose des Hüttenwirts war genauso wie das aktuelle Wetter. Tourabbruch oder Zwangspause?
Am folgenden Tag stabilisierte sich das Wetter jedoch soweit, dass nur ganz dichter Nebel uns umgab. An einen geplanten Klettersteig war nicht zu denken, also auf sicherem Weg ins Tal. In San Martino wollten wir das Wetter des kommenden Tages abwarten. Sollte es tatsächlich noch gelingen den Höhepunkt unserer Tour durchzuführen? Fit waren wir mittlerweile alle. Die üblichen kleinen Blasen an den Füssen waren gut versorgt. Der Wirt in der Pension in San Martino gab uns mit einer positiven Wetterprognose, diesmal aus dem Internet, echte Hoffnung.
So kam es! Am nächsten Morgen strahlend blauer Himmel und die Berge im leichten Schönwetterdunst. Direkt nach dem Frühstück ging es mit der Seilbahn zur Mittelstation. Das Ziel hieß: Ferrata Bolver - Lugli gemäß den Beschreibungen einer der schönsten Klettersteige der gesamten Alpen. Schwierigkeitsgrad KS4-D. Also, sehr schwer. Von der Mittelstation (2000 m) zunächst unschwierig zum Bergfuß (2200 m) der Cima della Pala. Dort legten wir das Klettergeschirr an. Zum kletterwarm werden ging es nun weitere 200 Höhenmeter über die gut gestuften Schorfen des Berges bis zum Beginn der Seilführe. Von Anfang an zeigte der Klettersteig, dass er nicht einfach war. 60 bis 70 Grad Steigung aber hervorragende Tritte und Griffe. Mit jedem 100 m Höhenzuwachs steigerte sich der Klettersteig. In einer Steilrinne lag noch viel Schnee. Ausgerechnet jetzt kam dichter Nebel auf, sodass die andere Seite nicht sichtbar war. Vorsichtig balancierend querten wir dieses Stück. Die vorhandenden Tritte im Eis geleiteten uns hinüber. In der Mitte des Eisweges beschützte eine kleine an der Felswand angebrachte Madonna unser Tun. Sich am Ende des Steilfeldes wieder in das Stahlseil einklinken zu können, war dennoch ein sehr beruhigendes Gefühl. Weiter ging es durch einen steilen Kamin sowie sehr luftig und ausgesetzt durch die nur wenig von der Senkrechten abweichende Steilwand und wenn die Route schon mal waagrecht verlief, so war der vorhandene Platz für den Fußtritt nicht sehr üppig. Die Rastplätze zum Atemholen ließen manchmal nur Platz für zwei Personen, sodass ich als Josef und Otto nachkamen den Standplatz räumte und weiterkletterte. Ob der Nebel nun überflüssigerweise oder gnädigerweise uns begleitete, kann ich nicht sagen. Auf diese Weise haben wir leider nicht gesehen, wie ausgesetzt der Klettersteig war oder wie atemberaubend schön die Sicht gewesen wäre. Es blieb die Konzentration auf den nächsten Griff und Tritt. Auch auf die lose liegenden Steine war zu achten. Der Klettersteig übertraf alles, was wir bisher gegangen waren. Der Klettersteig war an jeder Stelle hervorragend gesichert und nutzte die Gegebenheiten im Berg. Doch er war lang und steil. Oben angekommen riss der Nebel auf und gab den atemberaubenden Blick auf die Cima della Palla frei.
Der anschließende Weg ins Tal zurück zur Rif. Rosetta war vergleichsweise einfach. Er führte durch ein langes Eis- bzw. Gletscherfeld nach unten. Wenige tückische Gletscherspalten waren dennoch zu beachten. Der immer wieder aufkommende und sich anschleichende Nebel erschwerte insbesondere bei zu querenden Schneefeldern, wenn die Steinwegmarkierungen auf der anderen Seite nicht mehr sichtbar waren, die Orientierung. Vorhandene Trittspuren im Schnee anderer Wanderer halfen uns aber über dieses Problem hinweg. Wenn man nicht weiß, wie lang der Weg noch ist und welche Schwierigkeiten einen noch erwarten, zieht sich der Weg. So standen wir letztendlich fast unvermittelt vor der Hütte.
Am Freitag stiegen wir in alle Ruhe von der Hütte wieder zur Mittelstation ab und betrachteten ein wenig stolz unseren Klettersteig aus der Ferne.
Teilnehmer: Josef Breuer, Otto Neugebauer und Götz Rahe